Text: Peter Peuker
Fotos: Karin Simke und Peter Peuker
Mitte April erkunden wir an drei Tagen das größte Moorgebiet, das es in Schweden südlich von Lappland gibt. Store Mosse (Großes Moor) ist mit einer Fläche von fast 8000 Hektar seit 1982 Nationalpark.
Irrlichter, die im Nebel vom rechten Weg ins Moor locken, Moorhexen und andere düstere Wesen, das sind Dinge, die gelegentlich mit einem Moor verknüpft werden. Natürlich passiert dies nicht ohne Grund, denn in so manchen Sagen, Mythen und Erzählungen wird die Phantasie der Menschen dazu beflügelt. So illustrierte beispielsweise der schwedische Künstler John Bauer vor etwa 100 Jahren Trolle und Zwerge, die wohl auch die verschwiegensten Wälder, Höhlen in alten Baumstubben und finstere Torfschichten von Store Mosse bewohnen.
Beim Durchwandern von Store Mosse, vorbei an Bulte, erhöhten kleinen Inseln aus Torf und Torfmoosen sowie Schlenken, wassergefüllte, feuchte, grundlose Vertiefungen, möchten wir uns im Nebel oder bei Dunkelheit hier lieber auch nicht verirren.
Aber in erster Linie genießen wir die zum Teil rau anmutende Moorlandschaft. Gerade jetzt im Frühling beginnen viele der etwa 100 vorkommenden Brutvogelarten mit ihrer Balz, welche von geschützten Standorten oder von einem der Vogeltürme hautnah beobachtet werden kann. Besonders in den Morgenstunden ertönt am mitten im Nationalpark liegenden „Vogelsee“ Kävsjön unablässig das Rufen der Singschwäne, Kraniche, Kiebitze, Gänse und vieler anderer Vogelarten. Über den Schwingrasenflächen „Stora Gungflyet“, die durch Absenkung des Kävsjön entstanden, ist das „Wummern“ der Himmelsziege zu hören. Wer oder was ist eine Himmelsziege? So wird die Bekassine genannt, ein Schnepfenvogel, dessen Männchen während der Balz im Sturzflug die äußeren Schwanzfedern spreizt und dabei diesen wummernden Instrumentallaut erzeugt.
Auf gut 30 km durchwandern wir den Nationalpark auf zum Teil schwankenden Holzbohlen, die quer über das Hochmoor führen. Besonders eindrucksvoll ist für uns die Vogelbeobachtung, die wir bei Sonnenaufgang, von einem der Vogeltürme aus machen.
Aufbruch ins Moor
Die Frühlingssonne geht über dem Kävsjön auf. Charakteristisch für diesen "Vogelsee" ist das Vorkommen
von nördlichen und südlichen Arten. Hier brüten u.a. Singschwan und Kranich gemeinsam mit Tafelente und Tüpfelsumpfhuhn. Diese Besonderheit erkannte frühzeitig der schwedische Naturschutz-Pionier, Diplom Forstwirt und Professor Edvard Wibeck, der den Kävsjön der Allgemeinheit bekannt machte und sich für dessen unter Schutzstellung einsetzte.
Drei Vogelbeobachtungstürme gibt es rings um den Kävsjön. Dieser hier, mit 3 Ebenen, ist der luxuriösiste; u.a. gibt es einen Aufzug für Rolli-Fahrer, eine verglaste Beobachtungskanzel, Informationstafeln auch auf deutsch und eine Höhe von über 10 m.
Der Singschwan ist Brutvogel im Nationalpark. In ihren Balz- und Brutrevieren sind die Tiere tag- und nachtaktiv. An diesem nebligen Morgen im April waren die Singschwäne die lautesten und aktivesten Rufer. Vom Vogelbeobachtungsturm konnten wir ca. 10 Tiere beobachten. Ab März werden die Brutreviere bezogen und die Rückkehr ins Winterquatier beginnt im Oktober.
Das Fernglas ist beim Besuch von Store Mosse ein absolutes "Muss". Wir sind einigen Orinthologen begegnet die natürlich mit Spektiven ausgerüstet waren. Vogelarten bei der Futtersuche oder bei ihrer Balz lassen sich so "hautnah" beobachten.
Durch die fortwährende Torfbildung wölbt sich das Moor mit 1 - 2 mm pro Jahr aus der umliegenden Landschaft heraus. Daher kommt auch der Name "Hochmoor". Die Torfmächtigkeit von Store Mosse beträgt 3 - 7 m, somit lässt sich auch das ungefähre Alter dieses Moores errechnen. Vor 6000 Jahren, während einer niederschlagsreichen Klimaperiode, begann hier die Moorbildung. Torfmoose siedelten sich an. Ihren Wasser- und Nährstoffbedarf realisieren diese Pflanzen, da sie keine Wurzeln besitzen, ausschließlich aus dem Regenwasser. Wie ein Schwam können Moose das Niederschlagswasser speichern. Schon wenige Zentimeter unterhalb der lebenden Torfmoosdecke herrscht bei Wassersättigung des Moores völliger Luftabschluss. Dies führt wiederum zum Absterben der Torfmoose an deren Basis. Weil ein Abbau der abgestorbenen organischen Substanz unter sauerstoffarmen Verhältnissen nicht stattfindet, bildet sich dort unten Torf. Oben geht das Torfmooswachstum jedoch weiter. Das Moor wächst.
Über 40 km Wanderpfade auf zum Teil schwankenden Holzbohlen führen durch Store Mosse. Dabei können mehrere Rundwege gelaufen werden. So z.B. die Kävsjönrunde mit etwa 14 Kilometern.
Das Nationalpark-Haus bzw. Besucherzentrum (Naturum) von Store Mosse bietet u.a. eine Ausstellung und eine naturkundliche "Führung", für die der Besucher/die Besucherin keinen Eintritt bezahlen muss. Obendrein gibt es auch noch Kaffee oder Fruchtsäfte gratis. Die kleine Bibliothek enthält zahlreiche Bildbände sowie botanische und faunistische Literatur.
Mit den vorhandenen Spektiven kann man durch ...
... die Panoramafenster die Vogelwelt auf den Schwingrasenflächen „Stora Gungflyet“
zu fast jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter life beobachten.
Im Biologie-Labor des Besucherzentrums wird Natur "anschaulich" erlebbar gemacht.
"Rottrollen" John Bauer, Bildausschnitt
Der schwedische Künstler John Bauer zeichnete 1917 das Bild "Die Wurzeltrolle". Im Besucherzentum ist es als Plakat gleich im Eingangsbereich ausgehängt. Beim Durchwandern von Store Mosse sollte jeder Obacht geben, dass die Trolle in ihrer Ruhe nicht gestört werden.
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