Text und Fotos: Peter Behrendt und Peter Peuker
Ein verlängertes Wochenende mit guter Wetterprognose liegt vor uns, ideale Voraussetzungen für die Umsetzung des Plans, einen von uns noch nicht befahrenen Abschnitt auf Neiße und Oder zu paddeln.
In Guben an der Neiße starten wir und wollen etwa 75 km flussabwärts bis nach Lebus an der Oder paddeln. Dazu haben wir 2 Tage inclusive 2 Zelt-Übernachtungen eingeplant.
Die Oder-Neiße Grenze zwischen Polen und Deutschland, auf der wir unterwegs sind, hieß zu DDR-Zeiten "Oder-Neiße-Friedensgrenze". Im Ergebnis des 2. Weltkrieges wurde im Rahmen des Potsdamer Abkommens die zukünftige Ostgrenze Deutschlands an diesen Flüssen festgelegt. Deutschland verlor so cirka ein Viertel seines Staatsgebietes im Osten. Diese Grenze symbolisiert zugleich anschaulich die Folgen dieses Weltkrieges für unser Volk und vor allem die Verantwortlichkeit Deutschlands für diese historische Entscheidung.
Darum haben wir unsere Tour "Peace River Tour" genannt.
Brückenpfeiler der von der SS zu Kriegsende gesprengten Schlachthofbrücke
über die Neiße in Guben. Ein trauriges Mahnmal für die Sinnlosigkeit des Krieges,
an den noch viele stumme Zeitzeugen entlang unserer Reise mahnen.
Von der Quelle im tschechischen Isergebirge bis zur Mündung in die Oder bei Ratzdorf legen die Wasser der Neiße 623 Höhenmeter zurück. Daher entwickelt der Fluss auch noch hier auf seinen letzten Kilometern bis zur Mündung in den Oder-Strom eine flotte Strömung.
Ein bequemes Plätzchen im Boot und dazu noch eine super Aussicht...
... was will ein "Hundeherz" mehr?
Eine Streichholzschachtel wäre mir nicht zu klein, nur um dabei zu sein!
Wir kommen mit 8 - 9 km/h gut voran.
Nach etwa 10 km wird erst mal auf einer Sandbank Pause gemacht, damit sich unsere Hunde-Mädels,
Greta und Dascha, ein wenig die Pfötchen vertreten können.
Das Paddelpersonal stärkt sich noch mit einem Blechbrötchen und bald darauf erreichen...
... wir die Einmündung in die Oder bei Ratzdorf.
Das Pegelhäuschen bei Ratzdorf.
Der Ratzsdorfer Pegel erlangte beim Jahrhundert-Hochwasser im Sommer 1997 eine gewisse "Berühmtheit". Durch heftige Regenfälle in den Quellgebieten von Oder und Neiße kam es zur Oderflut und die Niederungen waren von einer gewaltigen Überschwemmung bedroht. In der Ziltendorfer Niederung brach der Deich. Für die Menschen in der gesamten Region ging es um Leib und Leben sowie um Hab und Gut. Der Ratzdorfer Wasserpegel erreichte damals eine Höhe von über 6 Meter. Während der Oderflut-Rettungsaktion traf sich in Ratzdorf damals allerlei Politprominenz.
Als wir das Ratzdorfer Pegelhäuschen auf unserer Tour passiert haben, zeigte die elektronische Anzeige eine Wasserstandshöhe von knapp 3 Meter an.
Wir sind in unserem "WILDEN BRANDENBURG" in der Grenzregion zu Osteuropa unterwegs. Wildreich sind Wälder und umliegende Felder. Wölfe und Elche sind dabei, sich in der nicht sehr dicht besiedelten Landschaft einen für sie geeigneten Lebensraum zurückzuerobern. See- und Fischadler sind hier keine Seltenheit. Problematisch sehen Landnutzer und Bewohner der Region mittlerweile die Aktivitäten des Bibers.
Ganz in der Nähe liegt Peter P's Wolfs-Monitoringgebiet. Hier haben wir zahlreiche gemeinsame Touren
auf der Suche nach Wolfshinweisen unternommen. Und wurden meist fündig.
geschnürter Trab eines Wolfs
Die Weite der Landschaft und die flotte Strömung der Oder nehmen uns auf.
Der 866 km lange Oderstrom entspringt an seiner Quelle auf einer Höhe von 632 m ü.NN. am Lieselberg (tschechisch Fidluv Kopec) im mährischen Odergebirge, einem östlichen Ausläufer der Sudeten.
Nur 165 km ist die Oder Grenzfluss zwischen Deutschland und Polen. Mit ihrer relativ hohen Fließgeschwindigkeit gehört der Fluss zu den größten schnell fließenden Strömen Mitteleuropas. Es gibt zwei Hochwasserwellen, das Frühjahrshochwasser im März/April und das Sommerhochwasser im Juni/Juli. Die Oder weist wegen des Einflusses des Kontinentalklimas von allen deutschen Strömen die häufigste und längste Vereisungsperiode auf (i.M. 30 Tage/Jahr).
Wir finden eine schöne Sandbank für den ersten Lagerplatz. Die Hunde toben am Wasser.
Unser Programm: Camp aufbauen, Holz sammeln, Essen zubereiten.
Es gibt erstaunlich viele Mücken für die Jahreszeit. Kein Wunder, denn es herrschen für Oktober ungewöhnlich warme Temperaturen über 20 °C. Ab und zu haben wir sogar Frösche quaken gehört, ohne uns verhört zu haben.
Es wird Anfang Oktober nun schon recht früh dunkel, Wir können pünktlich mit dem Dunkelwerden den Logenplatz am Lagerfeuer einnehmen und genießen entspannt den Abend in der Natur mit Rotwein
am Feuer und reden über „Gott und die Welt“.
Am nächsten Morgen herrscht erstmal ein zäher Nebel, der sich nur ganz langsam auflösen will.
Erst gegen Mittag können wir starten.
Wir passieren den gesprengten Brückenrest kurz vor Eisenhüttenstadt (Fürstenberg).
Am 4. Februar 1945 wurde die Brücke vormittags gesprengt. Das Vorrücken der 33. Armee der Russen über die Oder sollte gestoppt werden. Zunächst misslang die Sprengung, weil vermutlich die Zündleitung versagte. Ein Soldat löste durch einen gezielten Handgranatenwurf in die Sprengkammer die Detonation dann doch noch aus und verlor dabei sein Leben. Posthum wurde ihm das Ritterkreuz verliehen.
Wie tragisch und wie sinnlos!
Kraftwerksruine Vogelsang kurz hinter Eisenhüttenstadt am linken Oderufer.
Kurz vor der Inbetriebnahme im Frühjahr 1945 war das Kraftwerk wochenlang schwer umkämpft. Nach dem Krieg bis auf die Hülle komplett demontiert und Richtung Osten verschifft, steht die Ruine bis heute und beherbergt in den Kellerräumen viele Fledermäuse.
Natürlich sind wir auf unserer Tour vor allem der Natur auf der Spur.
Ein auffliegender Kiebitztrupp, mit Flügeln die wie Bratpfannen erscheinen, begleitet uns am Ufer.
Den Vögeln mangelt es in unserer intensiv genutzten Kulturlandschaft mittlerweile an geeigneten Bruthabitaten.
An unserer Mittagsraststelle sind wir...
... nicht die ersten Besucher (schwed. heißt er Tvättbjörn).
Bald darauf legen wir an einer Buhne an, um Ausschau nach einem Biwakplatz zu halten.
Geeignete Lagerplätze sind in diesem Bereich nicht allzu viele vorhanden.
Wir sind nicht sehr wählerisch, denn der Abend und die Dunkelheit kommen auf alle Fälle.
Als das Lager am polnischen Ufer steht, paddeln wir zur gegenüberliegenden deutschen Flussseite,
um Brennholz zu sammeln.
Heute wird auf der Muurikka gebraten.
Am Morgen wieder Nebel. Die Ausrüstung muss klitschnass verpackt werden,
aber als wir aufs Wasser kommen bricht herrlicher Sonnenschein durch.
Wir passieren die „Steile Wand von Lossow“, ein Einschnitt der Oder in die Frankfurter Endmoräne,
die ein Indian-Summer-Feeling aufkommen lässt.
Voraus die Autobahnbrücke der A12 über die Oder, ...
... passieren wir bald darauf Frankfurt an der Oder.
Unmittelbar danach wieder grandiose Weite und Stille.
Rotmilan
Eine kleine „Pfoten-vertret-Pause“ zwischen Frankfurt und Lebus ...
... kurz darauf die „Steppenhänge Lebus“, mit berühmtem Bestand an Adonisröschen.
Wir nähern uns Lebus, dem Endpunkt unserer Tour.
In Lebus beim Anleger des „Anglerheims“, einer gut besuchten Ausflugsgaststätte mit Biwakplatz, setzen wir aus und warten bei Kaffee und Kuchen auf unseren Shuttle- Service.
"Der Fluss setzt seinen Weg zum Meer fort,
ob das Rad der Mühle gebrochen ist oder nicht."
(Khalil Gibran)
Berichte zu den nördlichen Anschlusstouren auf der Oder bis Teerofen an der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße:
Schrankenlos durchs Grenzland - Auf der Oder von Lebus bis Schiffmühle an der Stillen Oder
Mit dem Kanu durch den Nationalpark Unteres Odertal - Von Oderberg bis Teeofen
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