von Peter Peuker
Auuuuuu,erklingt das Heulen eines Wolfs in der sternenklaren Märznacht. Toll, dass die anderen auf unserer Tour Wolfsgeheul erleben können, denke ich bei mir. Im nächsten Moment schlage ich die Augen auf und muss mich im Dunkeln orientieren wo ich überhaupt bin. Ja richtig, - ich liege im Zelt mitten im Wolfsland der Oberlausitz (sorbisch Luzica). Den Wolf heulen hören kann ich nicht mehr, aber irgendwo in der Ferne schallt das Rufen von Menschen, die offensichtlich in „Feierlaune“ sind. Schade, das „Auuuuu“ war wohl nur ein von den nächtlichen Geräuschen inspirierter Traum von mir.
Vor vier Wochen war ich zuletzt im Wolfsland unterwegs und da war hier wirklich in einer Nacht das Heulen der Wölfin des Milkeler Rudels zu hören. Kurz zuvor hatte sie ihren Rüden verloren, nachdem sie in der Mitternacht vergeblich so sehnsuchtsvoll rief. Oder war ihr „Rufen“ schon ein Signal das einem Neuen galt? Man weiß es nicht.
Während meiner Aufenthalte des vergangenen Winters im Oberlausitzer Wolfsrevier reifte der Gedanke, hier mit Freunden eine Kanutour auf der Spree (sorbisch Sprjewja) zu unternehmen. Gänzlich unbekannt war mir bis dahin die Spree an ihrem Oberlauf. Aber eine flotte Strömung und zahlreiche Schwallstrecken an einigen Abschnitten waren doch ganz vielversprechend, um hier zu paddeln. Recherchen über Gewässer – oder Tourenbeschreibungen auf diesem Flussabschnitt ergaben im Internet nicht allzu viele Informationen. Aber „gestrickte“ Kontakte zu ortskundigen Paddlern und Naturfreunden halfen, ein abwechslungsreiches Tourenwochenende zusammen zu basteln. Und um es vorweg zu nehmen am Ende war, so glaube ich jedenfalls, keiner in seinen Erwartungen enttäuscht bzw. der eine oder andere sogar ein wenig überrascht.
An einem Wochenende Mitte März verabredeten wir uns zur Tour. Wir, das waren Conny, Magda, klein Nina, Frank, Peter B., Joachim, Boris und Peter P. (Amarok) sowie Hündin Dascha. Die Wetterprognose war wirklich bombastisch. Die Frühjahrssonne sollte Temperaturen von bis zu 20° C bringen. Beim Zusammenpacken am Morgen herrschten bei mir zuhause in Ostbrandenburg zwar noch frostige Temperaturen und alles war mit Reif überzogen, aber der Himmel, ja der erstrahlte bereits in einem klaren Frühlingsblau.
unser Camp
Die Frauen "feuern" schon mal an.
der Küchenmeister am Grill
Nach dem alle nach und nach im Basislager an der Spree eintrafen und die Temperaturen am Freitagnachmittag wirklich den vorausgesagten Wert erreicht hatten, machte uns Boris mit selbstgespießtem Lamm- und Putenschaschlik glücklich. Am Lagerfeuer und den üblichen maßvoll genossenen geistigen Getränken verbrachten wir den sich doch wieder merklich abkühlenden Märzabend. In der Nacht hatte ich dann den bereits geschilderten Traum vom „heulenden Wolf“.
Nach Erledigung aller wichtigen logistischen Angelegenheiten am nächsten Morgen starten wir auf dem kleinen Flüsschen „Schwarzer Schöps“ (sorbisch Čorny Šepc) in Boxberg/Oberlausitz. Mit zügiger Strömung mäandert der Schöps entlang bewaldeter Ufer und durch eine Landschaft die zum Teil talartigen Charakter besitzt. 25 Paddelkilometer und mindestens 3 Umtragungen liegen bis zum Ziel bei Spreewitz an der Grenze zwischen Sachsen und Brandenburg vor uns.
Packstation am Start
auf dem Schwarzen Schöps
Peter B.
"Ninuschka und Daschenka"
"Rote Flotte"
"Angrillen"
Zahlreiche Spuren von Schalenwild sind am Flussufer zu sehen, Suhlen der Schwarzkittel und Wildwechsel queren das Gewässer. Beim Örtchen Sprey mündet der Schöps in die Spree. Vor uns flüchtet ein Fischotter in den nahe gelegenen Wald, um schon einen Augenblick später wieder retour im Fluss abzutauchen. Bei solch einem Anblick ist der Jagdtrieb meiner Laika-Hündin Dascha nicht zu bändigen. Ich bin jedenfalls schwer damit beschäftigt, dass sie nicht aus dem Kanu springt.
Es folgen an einer Sohlschwelle und einem Kraftwerk an der Ruhlmühle zwei für Paddler „unfreundliche“ Portagen. Klein Nina ist inzwischen in einen festen Kanu-Kinderschlaf gesunken und wird vom Rest der Tour nichts mitbekommen. Sicher träumt sie von ihren kleinen Abenteuern im Land der Wölfe.
Portage an der Ruhlmühle
Ab der Siedlung Döschko folgen zahlreiche Schwallstrecken die unserer Paddeltour im letzten Drittel noch eine tolle Abwechslung bieten. Auch wenn die Spree in diesem Abschnitt kein Fluss mit echtem Wildwasser ist, so sollen in diesen Schwällen schon zahlreiche Kanuten baden gegangen sein.
ein "gespannter" Blick nach hinten
der Amarok
Am Samstagabend ist Peter B. unser Lagerfeuerkoch. Mit Muurikka und Dutch oven zaubert er einen wohlschmeckenden feurigen Wildschweingullasch.
Sonntagmorgen, der Tag beginnt mit frisch gebrühtem Kaffee und Rührei von der Muurikka. Wir sitzen draußen und genießen die Märzsonne. Um uns herum ist einiges im Gange. Drei Schwarzspechte sind stark mit der Revierverteilung beschäftigt. Immer wieder ertönen ihre Rufe „Kiieeeh“ gefolgt von zänkischen Verfolgungsjagden. Ein Rotmilan streicht lautlos im Gleitflug über unser Camp.
Heute wandern wir auf den „Spuren der Wölfe“, denn wir sind sozusagen von Wölfen „umzingelt“. Im Osten liegt das Revier des Nochtener Rudels, im Westen das der Milkeler und im Norden haben die Spremberger Wölfe ihr Revier. Unser Tourenguide ist Stephan. Er ist Wolfsfachmann mit langjähriger Erfahrung und kennt sich hier in seinem Heimatrevier natürlich bestens aus. Nach einem Einführungsvortrag in uriger Lehmhütten-Atmosphäre über die Biologie des Canis lupus lupus, die Stationen seiner Rückkehr in die Oberlausitz und damit verbundener Konflikte, geht es raus in den Wald.
Hier drinnen geht es um ...
Wölfe (Schnee lag allerdings nicht mehr) beim ...
Vortrag von Stephan.
Allen ist natürlich klar, dass wir Wölfe sicher nicht sehen, aber hoffentlich zahlreiche Spuren von ihnen finden werden. Der erste Anblick ist ein strammer Überläuferkeiler, der in hoher Flucht durch die Kieferndickung vor uns davon jagt. Wenig später finden wir die Überreste eines Seeadlers, der ganz offensichtlich Opfer eines Güterzuges an der nahen Bahntrasse wurde. Und dann stoßen wir auf die ersten Zeichen von Isegrim. Deutlich sichtbar hat er auf dem Waldweg seine Losung als Markierung abgesetzt. Dass er Wildschwein als letzte Mahlzeit zu sich nahm, so wie wir am Abend zuvor, ist an den vielen schwarzen Borsten unverkennbar. Wir finden auch einzelne Pfotenabdrücke und Spuren im sandigen Boden. Nicht sehr frisch, aber gut erkennbar ist der „geschnürte Trab“, eine häufige Gangart des Wolfs auf seinen Streifzügen.
Stephan erklärt die Grundzüge des Wolfsmonitorings, der Erfassung, Beobachtung und Überwachung des Bestandes sowie Zustandes der Wölfe in ihrem Lebensraum. Zum Monitoring gehören u.a. fotografieren, vermessen, einsammeln und protokollieren von Spurenbildern, Sichtungen, Rissen und anderen wölfischen „Hinterlassenschaften“ mit deren Hilfe dann u.a. Rückschlüsse auf Anzahl der Individuen, das räumliche Verhalten, Nahrungszusammensetzung, Gesundheitszustand und Mortalität möglich sind.
unterwegs im Wolfsrevier
Spuren im Sand
Kurze Zeit später stürzt wieder ein Wildschwein aus der Deckung und bringt meine Dascha in Rage. Schon eine Weile hat sie frische Witterung in der Nase und die zahlreichen Fährten von Rot-, Schwarz- und Rehwild stehen der Behauptung so mancher Vertreter der grünen Zunft zum Trotz entgegen, dass die Reviere durch die Wölfe vom Wild wie „leergefegt“ sein werden. Und um ehrlich zu sein, bin ich immer wieder verwundert, wie fern und ablehnend einige Menschen gegenüber der Natur sein können, die selber Naturnutzer sind. Obwohl man doch gerade von diesen Sachverstand und verantwortungsvolles Handeln erwarten muss.
Wir durchstreifen einen artenarmen Kiefernforst auf sandigem Standort in einer vom Menschen sehr stark geformten Landschaft. Spuren alter und neuer Braunkohlentagebaue sind allgegenwärtig. In der Ferne speien die gewaltigen Kühltürme des Kraftwerkes Boxberg Wasserdampf aus. Es ist eine Kulturlandschaft und keine Wildnis in die die Wölfe zurückgekehrt sind.
Mehr und mehr zieht sich der Himmel zu. Die Wolken werden dunkler und die ersten Regentropfen lassen nicht lange auf sich warten. Es grummelt und donnert zum Ende unserer Wanderung. Das erste Gewitter des Jahres. Abwechslungs- und erlebnisreich war unsere Wolflandtour und sicher ist es nicht die letzte gewesen.
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