Über die Situation der großen Raubtiere in Schweden und Norwegen, insbesondere des Wolfs, berichte ich in regelmäßigen Abständen auf AmarokTV.de. Außerdem stehen seit fast einem Vierteljahrhundert jährlich Reisen durch die skandinavische Natur bei mir auf dem Programm. Das bleibt nicht unbeachtet und spricht sich mit der Zeit rum.
Im März erhielt ich amtliche Post aus Norwegen. Åsmund Fjellbakk, Leiter des Dezernates für Wildverwaltung beim Fylkesmann* der Provinz Østfold, bat mich darin, eine Studienreise zum Wolfsmanagement und Herdenschutz nach Brandenburg Anfang September zu organisieren. In dem Brief stand unter anderem „…, dass Brandenburg in der Lösung all dieser Probleme Vorreiter ist…“, also ganz offensichtlich unser Konfliktmanagement zwischen Wolf und Landnutzung durch die Schafhaltung positiv gesehen wird. Bei der häufig kritischen Betrachtung dieses Spannungsfeldes im eigenen Land ist die Wahrnehmung von außen auf unser Wolfsmanagement offensichtlich eine ganz andere. Das relativiert doch so einiges, meine ich.
Die dreitägige Studienreise mit qualifizierten und möglichst facettenreichen Inhalten zu gestalten war für mich Herausforderung, aber auch von Enthusiasmus getragen. So liefen die Vorbereitungen von zwei Meetings teilweise parallel, denn im Juni sollte eine mehrtägige Exkursion zu unseren polnischen Nachbarn sattfinden, die ich gemeinsam mit Andreas Dinkelmeyer vom IFAW gemanagt habe. Ulrich Wotschikowsky hat auf seiner Wolfsite dazu einen sehr schönen Bericht veröffentlicht „Blick über den Zaun: die Wartheniederung“.
Anfang Juli stand das Programm für die Norweger und ich konnte mit einem guten Gefühl in den Nordlandurlaub fahren.
Mit dem Flieger aus Oslo traf die 7-köpfige Delegation am Abend des 5. September in Berlin Schönefeld ein und setzte sich aus 4 Vertretern des Schaf- und Ziegenhalterverbandes "Østfold sau og geit", dem Leiter des Dezernates Wildverwaltung der Provinz, einer Vertreterin der NGO zum Schutz großer Raubtiere "Rovviltets Røst" und der Dolmetscherin zusammen.
Von Schönefeld ging es weiter zum "Waldseehotel Wirchensee" im Schlaubetal nach Ostbrandenburg. In der Region findet auf der Fläche Schafhaltung statt und Wolfsvorkommen sind seit Jahren präsent. Konfliktmanagement durch Herdenschutz ist also aus Sicht der Nutztierhalter essenziell.
Das Programm für die 3 Tage beinhaltete 7 Fachvorträge und 4 thematischen Exkursionen zum Herdenschutz und Wolfsmanagement in der Region.
Die Referenten waren Vertreter/Vertreterinnen des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft und des Landesamtes für Umwelt, Herdenschutz im Wolfsgebiet praktizierende Schäferinnen/Schäfer, anerkannte Wissenschaftler/Wissenschaftlerinnen aus den verschiedenen Bereichen der Wolfsforschung in Deutschland sowie Fachleute des Brandenburger Wolfsmanagements/Wolfsmonitorings.
Das Programm
Donnerstag, 6. September:
- Kurzporträt des Landes Brandenburg
- Wölfe in Brandenburg – Entwicklung des Wolfsbestandes und Wolfsmonitoring
- Nutztierschäden in Brandenburg – Entwicklung, Schadensausgleich und Prävention
- Exkursion zur Umsetzung des Herdenschutzes vor Wolfsübergriffen in einen Schafzuchtbetrieb Ostbrandenburgs
- Forschungsarbeit zum Thema: Landnutzungskonflikte mit dem Wolf
Freitag, 7. September
- Rissbegutachtung bei Nutztierschäden in Brandenburg – Verfahrensweise, Methoden, Erfahrungen
- Einsatz von Herdenschutzhunden in Brandenburg – Zucht, Ausbildung, Erfahrungen
- Die Brandenburgische Wolfsverordnung – rechtliche Grundlagen, Struktur, Inhalte, Zuständigkeiten
- Exkursion in einen Schaftzuchtbetrieb mit Hütebetrieb in Ostbrandenburg
Samstag, 8. September
- Besuch des Leibnitz Instituts für Zoo- und Wildtierforschung Berlin mit Fachvorträgen zu aktuellen Forschungsgebieten und dem Wolf-Totfundmonitoring in Deutschland
- Fachgespräch mit dem Vorsitzenden des Schafzuchtverbandes Berlin – Brandenburg e.V. und Betriebsbesichtigung
Als äußerst interessierte und kompetente Zuhörer sowie Beobachter erwiesen sich die Gäste aus Østfold. Es wurde sehr viel dokumentiert und die Referenten waren bei der Beantwortung der vielen Fragen gefordert.
In den Gesprächen mit den Schäfern wurden aber auch die bestehenden Probleme beim Konfliktmanagement deutlich. Herdenschutz ist mit einem nicht unerheblichen Kostenfaktor für materielle Aufwendungen und zusätzliche Arbeitsleistungen verbunden. Die daraus resultierenden finanziellen Belastungen können Schafzuchtbetriebe in der ohnehin angespannten wirtschaftlichen Situation nicht mehr selbst generieren.
Bei der Verabschiedung am späten Samstagnachmittag kam zur Sprache, dass sich die Erwartungen der Gäste aus dem Norden erfüllt hatten und sie mit einem guten Gefühl die Heimreise antreten werden. Als bedeutsame Aufgabe steht vor allen Teilnehmern nach Rückkehr noch die Evaluierung der während der Studienreise gewonnen Informationen und Erkenntnisse.
(v.l.n.r. Ingeborg Vik, Åsmund Fjellbakk, Per Søreng, Anne Margarethe Vadder, Susanne Dörfler,
Ivar Grimstad, Jon Erik Opsahl, Elena Wenz, Peter Peuker)
Meine Worte zum Abschied:
„Gjør det beste ut av det. Takk og en god tur. Vi ses igjen!“
(Macht das Beste daraus. Danke und eine gute Reise. Wir sehen uns wieder!)
Einen Tag später erhielt ich aus Norwegen folgende Zeilen:
„Wieder zu Hause, kann ich mich nur noch einmal für Deinen fantastischen Einsatz bei der Gestaltung der Reise, und Allen, die Vorträge gehalten und uns den Umgang mit Wölfen in Brandenburg gezeigt haben, bedanken.
Es war alles total über unseren Erwartungen und auch wenn es noch viel Zeit braucht um hier in Norwegen etwas zu bewegen, haben wir unglaublich viel gelernt.“
im September 2018
* Fylkesmann - Regierungspräsident einer norwegischen Provinz
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