Text: Peter Peuker
Fotos: Karin Simke und Peter Peuker
In einem Urwald ist man nicht alle Tage und schon gar nicht in so einem wie Norra Kvill. Ein Urwald? Da denken viele an undurchdringlichen Dschungel und allem was dazu gehört. Mit dem Wort „Norra“ verknüpft man dann aber doch irgendwas, dass in Verbindung mit etwas im Norden gelegenen stehen könnte.
Anfang April erkunden wir den nordischen Urwald „Norra Kvill“ in der schwedischen Provinz Småland. In dieser geografischen Breite wird die Mehrheit der „durchschnittlichen“ Mitteleuropäer sicherlich unseren Besuch als ziemlich frühzeitig einstufen. Der Winter ist nämlich im småländischen Hochland gerade erst vorbei. Viele Seen sind mehr oder weniger noch mit Eis bedeckt und in schattigen Senken liegen hier und da Schneereste. Die Natur erwacht gerade erst aus ihrer Winterruhe und kaum zu glauben, wir werden an zwei Tagen einen Urwald, der sich uns ganz menschenleer präsentiert, erleben dürfen. Herrlich!
Norra Kvill hat den Charakter eines Urwaldes erlangt, weil Menschen hier seit 150 Jahren keine Waldnutzung mehr durchgeführt und die Natur sich selbst überlassen haben. Umgestürzte Bäume, trockene Bäume, lebende Baumriesen, sich verjüngender Wald auf lichten Stellen, bemooste Steinblöcke und das hüglige Relief mit einigen kleinen Waldseen prägen das Landschaftsbild. Der Berg Idhöjden ist mit 230 m ü. NN der höchste Punkt.
Werden, Sein und Vergehen im Naturwald
Bereits 1927 wurde Norra Kvill zum Nationalpark erklärt. Damals umfasste die Parkfläche lediglich 27 Hektar. Das schwedische Naturschutzamt Naturvårdsverket vergrößerte durch Flächenerwerb das Schutzgebiet auf 114 ha. Im Vergleich mit anderen Nationalparks, wie z.B. dem fast 200.000 ha großen Padjelanta in Schwedisch Lappland, ist Norra Kvill natürlich ein Winzling, aber dafür kann der Besucher hier auf kleinem Raum sehr viel ursprünglichen Naturwald erleben.
Ein etwa 4 km langer Pfad führt als Rundweg durch den Park. Wir werden gleich am Start unserer Erkundung vom Rufen der Kraniche begrüßt, dass aus dem südöstlich gelegenen Sumpf Brännebrokärret herüber klingt. Aus den Tiefen des Urwaldes hallt zwischen riesigen Fichten und Kiefern der langgezogene Standortruf „kjiäh, kjiäh, …“ eines Schwarzspechtes. Und ein Stückchen weiter ist auf dem Stora Idgölen, einem malerisch kleinen Waldsee mitten im Nationalpark, ein Schellentenpärchen völlig mit seiner Balz beschäftigt. Stora Idgölen wird auch als Trollteich bezeichnet.
Stora Idgölen
Der Weg durch den Park kann natürlich in einer guten Stunde zurückgelegt werden, wer aber mit geschärften Sinnen sowie mit Fotoapparat und Fernglas bewaffnet Norra Kvill durchwandert, sollte ruhig mehr Zeit einplanen.
Nach der Hälfte der Strecke gelangen wir auf den Berg Idhöjden. Uns wird eine schöne Aussicht ins Småländische Hochland geboten und die vielen Felsen laden zu einer Wanderpause ein.
Aussicht auf Idhöjden
Im nordwestlichen Teil Norra Kvills verändert sich der Waldcharakter etwas. Die Bäume stehen dichter und sind jünger. Vor über hundert Jahren gab es hier den letzten Waldbrand und es entstand durch Selbstaussaat ein echter Naturwald. Wir kommen an einer Felsformation vorbei und können uns gut vorstellen, dass hier in den kleinen Höhlen zwischen den Felsblöcken Dachse und Füchse ihren Bau haben. Oder vielleicht sogar Trolle ihre Behausung? Der Pfad führt uns weiter vorbei am Waldsee Lilla Idgölen und schon bald stoßen wir auf den Ausgangspunkt unserer Rundwanderung.
Achtung! Kamera läuft.
Dieser Vorfrühlingstag Anfang April hat uns mit viel blauem Himmel und Temperaturen um die
10° C belohnt. Nach über 3 Stunden Naturbeobachtung, Fotografieren, Filmen und Landschaftsgenuss verlassen wir mit etwas Wehmut am späten Nachmittag den Urwald Norra Kvill und fahren zurück in unser Quartier nach Söderhult.
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